Patanjali gilt als Autor des Yogasutra, allerdings weiß man so gut wie nichts über ihn. Man vermutet seine Lebenszeit auf 200 v. Ch. bis 400 n. Ch., was selbst für den yogischsten Yogi eine viel zu lange Lebensdauer ist. Es ist so schwer den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, weil Patanjali als Verfasser mehrerer Schriften gilt, die aber zeitlich sehr weit auseinander datiert werden. Die Vermutung lieg nahe, dass es sich um 3 Personen gleichen Namens handelt. „Gemäß der Tradition der Hindus war er eine Inkarnation von Ananta, dem König der Schlangen-Rasse, der auch Shesha genannt wird. Da er Yoga auf der Erde verbreiten wollte, fiel er (pat=fallen) auf die Handfläche (anjali) einer tugendhaften Frau namens Gonika.“ (Huchzermeyer, 2015)

Richtlinien für den Umgang mit anderen, um damit auch sich selbst zu befreien
- AHIMSA (Gewaltlosigkeit)
- Ahimsa ist eines der wichtigsten Prinzipien im Yoga und bedeutet Gewaltlosigkeit – nicht nur in Taten, sondern auch in Worten und Gedanken. Ahimsa lädt uns dazu ein, achtsam mit uns selbst, mit anderen Menschen, Tieren und der Umwelt umzugehen. In manchen Yogaschulen wird deshalb Veganismus vorgeschrieben. Es bedeutet Mitgefühl, Rücksicht und Freundlichkeit – ohne zu verurteilen oder zu verletzen. Auch der liebevolle Umgang mit den eigenen Gedanken und Gefühlen gehört dazu.
- SATYA (Wahrhaftigkeit)
- Sei authentisch, also sage, was du denkst und fühlst, lüge nicht. Es geht darum, ehrlich zu sein – gegenüber anderen und sich selbst – und in Übereinstimmung mit der eigenen inneren Wahrheit zu leben. Satya heißt aber nicht, immer alles ungefiltert auszusprechen. Es bedeutet, die Wahrheit so zu kommunizieren, dass sie klar, respektvoll und mitfühlend ist – im Einklang mit Ahimsa. Wenn du weißt, dass deine „Meinung“ jemanden verletzt, stell dir die Frage, warum du diese Worte trotzdem sagen willst und sei dir der Konsequenzen bewusst.
- ASTEYA (nicht stehlen)
- Asteya bedeutet Nicht-Stehlen. Es bezieht sich nicht nur auf materielles Stehlen, sondern auch auf subtile Formen wie: Zeit stehlen, Aufmerksamkeit einfordern oder sich etwas aneignen, was einem nicht zusteht. Asteya lädt dazu ein, zufrieden mit dem zu sein, was man hat, und anderen Menschen mit Respekt und Fairness zu begegnen – ohne Neid oder Gier. Wer Asteya lebt, entwickelt mehr Dankbarkeit und innere Fülle.
- BRAHMACHARYA (Enthaltsamkeit)
- Enthaltsamkeit wird oft mit sexueller Enthaltsamkeit also einem Zölibat gleichgesetzt. Es geht aber eher um die Einheit mit etwas göttlichem durch Bewusstes Handeln und Hinterfragen der Notwendigkeit, um seine Lebensenergie (Prana) im Fluss zuhalten. Wer schon mal zu viel gegessen hat, einfach weil es soooo lecker war, weiß, dass zu viel nicht immer auch richtig ist. Tu was dir gut tut, aber halte das richtige Maß dabei. Sei achtsam mit deinen Ressourcen, denn sie sind begrenzt. Dafür muss man kein Asket werden, es reicht sich seiner Handlungen Bewusst zu sein und ehrlich mit sich zu bleiben. Muss das jetzt wirklich sein, ist eine Frage, die man sich viel häufiger stellen sollte.
- APARIGRAHA (keinen materiellen Besitz anstreben)
- Nicht horten – Weniger Besitz, mehr Freiheit. In unserer Konsumgesellschaft wird uns ständig eingeredet, immer mehr zu besitzen – oft unnötige Dinge, die Spaß machen sollen. Dieses Streben nach Besitz führt zu Ausbeutung von Umwelt, Menschen und Tieren, während wir die Folgen ignorieren. Aparigraha bedeutet, dieses Verlangen loszulassen – nicht nur materiell, sondern auch im Umgang mit Aufmerksamkeit. Es geht darum, nicht ständig im Mittelpunkt stehen zu wollen oder sich von Meinungen anderer stressen zu lassen. Schon vor über 2400 Jahren erkannte Patanjali dieses Problem – eine Herausforderung, die bis heute relevant ist
2. Die NIYAMA
Richtlinien zum richtigen Umgang mit sich selbst
- SAUCHA (Reinheit)
- Saucha bedeutet, Körper und Geist sauber und gesund zu halten. Das heißt: regelmäßiges Waschen, Zähneputzen und auch darauf achten, wie wir denken und fühlen. Negative Gedanken loslassen und den Kopf frei machen, hilft uns, entspannter und konzentrierter durch den Tag zu gehen. Einige Yogis ergänzen dies mit Reinigungsübungen (Kriyas), um sich von inneren und äußeren Unreinheiten zu befreien.
- SANTOSHA (Erlernen von Zufriedenheit)
- Santosha bedeutet Zufriedenheit und ist ein wichtiger Teil des achtgliedrigen Yoga-Pfads nach Patanjali. Es geht darum, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben, und das Leben so anzunehmen, wie es gerade ist – statt ständig nach mehr zu streben. Im Alltag hilft Santosha, Stress und Unzufriedenheit zu reduzieren. Indem wir kleine Dinge wertschätzen und dankbar sind, können wir mehr Ruhe und Freude erleben.
- TAPAS (Selbstdisziplin)
- Tapas bedeutet Selbstdisziplin, innere Stärke und Durchhaltevermögen. Im Yoga steht Tapas für die Energie, die uns hilft, dranzubleiben – auch wenn es mal anstrengend wird. Es geht nicht um strenge Regeln oder Verzicht, sondern um die Motivation, etwas zu tun, das uns wirklich wichtig ist. Im Alltag zeigt sich Tapas zum Beispiel darin, regelmäßig Yoga zu üben, gesünder zu leben oder sich achtsam mit sich selbst auseinanderzusetzen – auch wenn es manchmal Überwindung kostet. Tapas ist die Kraft, mit Leidenschaft und Ausdauer den eigenen Weg zu gehen – Schritt für Schritt.
- SVADHYAYA (Selbststudium)
- Yoga zeigt dir den Weg zur inneren Göttlichkeit. Wo diese liegt, wie sie aussieht und was sie eigentlich kann, ist Aufgabe dieses Teil des Weges. Svadhyaya kann auch mit Selbsterforschung übersetzt werden, denn die eigenen Göttlichkeit, kann nicht von anderen vorgegeben werden, sie ist ja deine ganz eigene. Ich möchte Göttlichkeit gern mit Großartigkeit gleichsetzten. Es geht hier darum sich mit seinen Eigenheiten auseinanderzusetzen und diese zu hinterfragen, es geht darum das großartige im Moment erkennen zu können. Manche eigenen sich dafür Wissen an, andere erleben sich gern in Stille und wieder anderer fahren stundenlang Fahrrad. Das Ziel ist aber dasselbe. Selbsterkenntnis.
- ISHVARA PRANIDHANA (Hingabe an das Göttliche)
- Ishvara Pranidhana bedeutet sinngemäß: das Vertrauen ins Leben und die Bereitschaft, Dinge loszulassen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Es erinnert uns daran, nicht alles erzwingen zu müssen, sondern mit dem Fluss des Lebens zu gehen – mit Offenheit, Gelassenheit und innerem Vertrauen. Wir tun unser Bestes – mit Klarheit, Engagement und Achtsamkeit – und akzeptieren gleichzeitig, dass wir nicht alles beeinflussen können. Diese Haltung bringt mehr Ruhe, Flexibilität und innere Stärke in unseren Alltag. Ishvara Pranidhana ermutigt uns, Verantwortung zu übernehmen, ohne uns in Kontrolle zu verlieren – und darauf zu vertrauen, dass nicht alles allein an uns liegt.
3. Asana (Körperliche Übungen)
- Überall auf der Welt sind Menschen der Meinung, dass Yoga ausschließlich auf der Matte stattfindet. Aber Asana ist eben nur ein Teil des Yoga. -sthira sukham asanam- Die ideale Haltung ist stabil und leicht zugleich.- Damit eine Yogahaltung seine volle Wirkung entfalten kann, ist es wichtig, sie nicht zu einer Gymnastikübung werden zu lassen. Das heißt, der Atem muss frei fließen können, die Muskeln dürfen nicht krampfen und sie sollte keine Schmerzen verursachen. Und Schmerz ist dabei relativ, denn jeder Körper ist anders. Mit Haltung ist aber nicht nur die Haltung in einer Asana gemeint. Es kann auch die eigene Haltung im Leben und zu anderen Menschen gemeint sein. Das Yogasutra ist in diesem Punkt nicht besonders präzise und lässt entsprechend Raum für Interpretation. Asana ist der Versuch über den Körper in den Geist und dann auch in die Seele zu kommen und diese schlussendlich zu vereinen.
4. Pranayama
- Pranayama wird im Allgemeinen mit „Kontrolle des Atems“ übersetzt (Huchzermeyer, 2015). Prana bedeutet Energie (Lebensenergie) und Aymama Kontrolle. Laut yogischer Vorstellung kann man mit Hilfe von Atemübungen seine eigene Energie lenken und kontrollieren. Die ganz frühen Yogis glaubten, dass sie ihr Leben verlängern können, indem sie ihre Atmung verlangsamen. Denn sie beobachteten, dass die Tiere, die sehr viel und schnell atmen (z. B. Mäuse) kein langes Leben haben, verglichen mit den Tieren, die nur wenige Atemzüge benötigen z. B. Landschildkröten. (Werner, 2022). Weshalb bis heute noch Kumbhaka (Einhaltung des Atems als Reinigungspraxis) unterrichtet wird. Ob aber Atemnot den Weg zur Erleuchtung ebnet, bezweifle ich. Es gibt viele Atemtechniken, die weder groß geübt werden müssen noch die Gefahr von Schwindel, Schmerzen oder im schlimmsten Fall Bewusstlosigkeit mitbringen (Imogen Dalmann, 2022). Pranayama ist die Wahrnehmung des Gegebenen. Wer lernt seinen Atem in verschiedenen Situationen wahrzunehmen, hat es auch in der Hand seine Atmung und damit sein Wohlbefinden bewusst zu steuern.
5. Pratyahara
- Der Rückzug der Sinne nach innen, Wahrnehmen des eigenen Seins und damit Vorbereitung auf die Meditation. Übersetzt bedeutet Pratyahara so viel wie „Entzug der Nahrung“, womit aber eher die geistige Nahrung gemeint ist, also alles, was an schädigenden Sinneseindrücken von außen kommt. Zum Beispiel Straßenlärm und ein zu hoher Medienkonsum, aber auch Meinungen von anderen Menschen, die uns nicht in Ruhe lassen. Durch Pratyahara verschwinden diese Einflüsse natürlich nicht, aber man kann lernen ihnen weniger Bedeutung zuzumessen, womit der Geist empfänglicher für Meditation ist.
6. Dharana
- Dharana ist der sechste Schritt im achtgliedrigen Pfad des Yoga nach Patanjali und bedeutet: gerichtete Aufmerksamkeit oder Konzentration. Dabei lernen wir, den Geist bewusst auf eine Sache zu fokussieren – zum Beispiel auf den Atem, ein Bild, ein Mantra oder einen bestimmten Gedanken. In einer Welt voller Ablenkungen hilft uns Dharana, innerlich zur Ruhe zu kommen und die Gedanken zu sammeln. Es ist wie ein Training für den Geist: Statt ständig abzuschweifen, bleiben wir bei dem, was jetzt gerade wichtig ist. Dharana ist die Fähigkeit, den Geist zu bündeln – ein Schritt hin zu mehr Klarheit, Präsenz und innerer Ruhe.
7. Dhyana
- Meditation oder kontinuierliches inneres Gewahrsein. Es beschreibt einen Zustand, in dem der Geist ruhig und klar ist – ohne Ablenkung, aber auch ohne Anstrengung. Im Unterschied zur Konzentration (Dharana), wo der Fokus bewusst gehalten wird, fließt in Dhyana die Aufmerksamkeit ganz natürlich – ohne ständiges „Zurückholen“. Es ist ein Zustand stiller Präsenz, in dem wir einfach sind, ohne zu bewerten oder festzuhalten.
8.Samadhi
- Samadhi ist der achte und letzte Schritt im Yogaweg nach Patanjali. Es beschreibt einen Zustand tiefer innerer Stille, Klarheit und Verbundenheit – mit sich selbst, mit dem Leben oder mit etwas Größerem. In Samadhi verschmilzt die Aufmerksamkeit vollständig mit dem, worauf sie gerichtet ist – ohne Trennung, ohne Gedanken an „ich“ und „das“. Es ist kein Zustand, den man erzwingen kann, sondern etwas, das entsteht, wenn der Geist völlig zur Ruhe kommt. Menschen erleben Samadhi als tiefen Frieden, Klarheit oder auch als ein Gefühl von Einssein.